Verfolgung von jüdischen Menschen in Italien

Die offene Repression und Deportation begann erst mit der deutschen Besatzung

Gemäß der Bevölkerungsstatistik lebten 1938 knapp 50.000 jüdische Menschen in Italien, darunter fast 8.000, die nach Italien geflohen waren, überwiegend aus Deutschland. Die Flucht nach Italien erfolgte, weil angesichts der massiven antijüdischen Hetze die Lebensbedingungen in Italien erträglicher schienen. Bis 1938 gab es in Italien zwar keine gesetzliche Verfolgung, wohl aber antisemitische Ressentiments.

Ausländische jüdische Menschen wurden teilweise interniert, wobei dies oftmals eine räumliche Begrenzung ihres Aufenthalts bedeutete, die wenig vergleichbar ist mit den Zwangsverhältnissen in anderen Ländern; infolge der unübersichtlichen italienischen Bürokratie blieb die Isolierung oftmals eine Papierform.(1) Das italienische Außenministerium verkündete noch im Frühjahr 1938, Italien kenne keine antisemitische Politik („Das Problem existiert bei uns nicht“).

Dies änderte sich aber schnell, im Okt. 1938 wurden in Italien antijüdische Rassegesetze eingeführt; die überwiegende Interpretation ist, daß dies eine Konzession an die Achsenpolitik war.(2) Hintergrund: der Antikomintern-Pakt, dem sich z.B. auch Ungarn und Rumänien mit ähnlichen Regelungen anschliessen.

Bis dahin waren jüdische Personen auch in der faschistischen Partei organisiert (etwa 10 %), sind wobei die Motive dafür unterschiedlich waren. Für eine staatliche Laufbahn war die Mitgliedschaft in der PNF durchaus vorteilhaft. Die „Rassegesetze“ führten faktisch zu einem Berufsverbot für staatlichen Stellen.(3)

Dennoch waren im italienisch besetzten Südfrankreich, in Jugoslawien und anderen Gebieten unter italienischer Kontrolle Zufluchtmöglichkeiten für jüdische Menschen durchaus üblich. Die offene Repression und Deportation begann erst mit der deutschen Besatzung in Italien.
Die Schutzfunktion, die Italien den jüdischen Menschen gab, fiel plötzlich weg. Innerhalb von wenigen Tagen wurden aus Südfrankreich, Griechenland, Jugoslawien Deportationen vorbereitet.
In Italien selbst ging die deutsche Seite, unterstützt von einem italienischen Spitzelsystem, ebenso systematisch vor: zunächst im Bereich des Frontverlaufs und in Ballungszentren.

Herbert Kappler für den SD und Theo Dannecker für die SS hatten die Aufgabe, im Okt. 1943 in Rom 8.000 Juden festzunehmen, nach Oberitalien zu schaffen, von dort nach Mauthausen. Kappler registrierte dabei den hinhaltenden Widerstand in der italienischen Bevölkerung; „nicht einmal bei überzeugten Faschisten fand man Unterstützung“ (Klinkhammer, S. 537). Er konnte deshalb „nur“ 1.007 Personen deportieren.

Es wird kolportiert, daß der Papst ob der „Judenjagd“ indigniert war, da dies sozusagen unter seinen Augen stattfand. Ein öffentlicher Protest unterblieb jedoch. Ernst v. Weizsäcker – zunächst im Außenministerium, dann Vatikanbotschafter des Deutschen Reichs – hebt diese Zurückhaltung positiv hervor.

 Allerdings wurden in zahlreichen kirchlichen Räumen Verstecke für jüdische Menschen eingerichtet, die vielen halfen, der Deportation zu entkommen. Anlässlich einer Polizeiaktion gegen eine Abtei im Febr. 1944 meldete sich Protest auch der offiziellen Kirche. Hierbei waren Militärs, Juden und zahlreiche Jugendliche, die sich der Wehrpflicht entziehen wollten, verhaftet worden. Allerdings ist unklar, ob sich der Protest der Kirche nicht eher gegen das Eindringen in die Abtei richtete als gegen die Verhaftungen an sich.(4)

Die „Säuberungen“ eskalierten ab dem Nov. 1943, nachdem der faschistische Apparat auf dem Parteikongress in Verona alle Juden zu Angehörigen einer „feindlichen Nationalität“ definiert hatte. Dies hatte zur Folge, daß nunmehr auch von italienischer Seite die Verhaftungs- und Internierungsaktionen systematisch vorangetrieben wurden. Die Eichmann-Abteilung, in Absprache mit dem Ausw. Amt und dem RSHA, forcierte den Ablauf, die Tarnung sowie die Einbeziehung italienischer Stellen in diese Aktionen.

Dies hatte zur Folge, daß viele jüdische Familien flüchteten, teilweise in die Berge, in andere Landesteile, in die Schweiz – wobei es die Flucht in die Schweiz am Schwierigsten war, da dafür hervorragender Kontakte erforderlich waren. Gefährlich für Juden war die Denunziation einer nicht unbeträchtlichen Zahl von italienischen Landsleuten; gegen Kopfgeld an die SS (pro Mann 5.000, pro Frau 2.000, pro Kind 1.000 Lire).

Einer der Protagonisten war der „fanatische Judenhasser“ (Klinkhammer) Giovanni Preziosi; er bekam die Leitung des neugeschaffenen „Rassen und Bevölkerungsamts“ und befürwortete die „totale Eliminierung der Juden“.

In fast allen Provinzen in Norditalien wurden lokale Sammellager eingerichtet, die zunächst unter Aufsicht der italienischen Behörden standen (Innenminister Buffarini). Von dort aus sollten dann eine zentrale Erfassung in Fossoli stattfinden. Fossoli (seit 7.10. 1943) hatte eine Aufnahmekapazität von 10.000 Personen, mit einer Bahnstation und Verkehrsverbindung zum Brennerpass.

Die italienische Verwaltung wurde relativ bald durch die deutschen Kommandos ersetzt; im März 1944 wurde die deutsche Besatzung federführend. Etwa 8.000 Juden waren aus Italien deportiert.

Nach den ersten systematischen Erfassungen und Internierungen waren die Verfolgten vor der zweiten Welle gewarnt. Sie versuchten zu fliehen, unterzutauchen oder zu den PartisanInnen zu gelangen; zu Hilfe kam ihnen auch indirekt die fehlenden Abstimmung zwischen italienischer und deutscher Verwaltung.

(1) dazu näher: K .Voigt, Zuflucht auf Widerruf – Juden und andere Verfolgte des Hitlerregimes in Italien 1933- 45, Stuttgart 1993 (2 Bde) – Exil für jüdische Menschen in Italien ab 1933, Einführung der Internierung beim Kriegseintritt bis zur Befreiung; Lebensverhältnisse jüdischer Menschen in Italien zur Mussolini-Zeit

 (2) J. Steinberg, Deutsche, Italiener und Juden – der italienische Widerstand gegen den Holocaust, Göttingen 1997, S. 288f; L. Klinkhammer, Zwischen Bündnis und Besatzung, Tübingen 1993, S. 530ff

(3) näher dazu Steinberg, S. 289, und Klinkhammer, S. 531

(4) Klinkhammer, S. 542